Illustration Benedikt Dittli, illustriert von Patrick Widmer

Benedikt Dittli – Regisseur eines grünen Blattwerks

Jubiläums-Serie: In manchen Gärten schlendert man intuitiv von Raum zu Raum. Folgt vermeintlich Zufälligem, das bewusst gestaltet wurde. Genauso gehorcht ein Gartenmagazin einer Dramaturgie, die durch die Lektüre führt. Ein Rückblick auf die gestalterischen Etappen der Zeitschrift «Bioterra», die ihren Ursprung in einem reinen Vereinsorgan hat.

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Von Carmen Hocker
Illustration: Patrick Widmer

Ein Garten ist gekonnt gestaltet, wenn man ihm nicht ansieht, dass er gestaltet wurde. Wenn sich die architektonischen Elemente harmonisch einfügen, die Pflanzungen wie von der Natur selbst hingezaubert wirken. Und es im Verborgenen bleibt, wie liebevoll sich eine Gärtnerin täglich um den Garten kümmert. Oder wie ein Pflanzenfreund sanft lenkt, was von alleine den Weg ins Beet gefunden hat. Genauso viele «unsichtbare» Arbeitsschritte stecken auch in einem ansprechenden, gut lesbaren Gartenmagazin. Darum soll es in diesem Porträt gehen: Um diese gestalterischen Etappen und die Handschrift eines Mannes, der seit 1999 das Erscheinungsbild der Zeitschrift «Bioterra» prägt.

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«Bioterra» – das Magazin im Wandel der Zeit

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Entwicklung Bioterra Magazin

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Entwicklung Bioterra Magazin
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Benedikt Dittli in den 80er Jahren
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Dittli als junger Kunstgewerbeschüler.

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Start an der Kunstgewerbeschule

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Fotograf wollte Benedikt Dittli eigentlich werden, weshalb er 1978 an die Schule für Gestaltung in Luzern ging. Da ihm der Beruf des Grafikers damals noch spannender erschien, orientierte er sich bald in diese Richtung: «Allerdings konnte ich mir nicht vorstellen, für unnütze Konsumgüter und umweltverschmutzende Autos Werbung zu machen.» Beeindruckt vom bekannten Zürcher Typografie-Lehrer Hans-Rudolf Lutz, wandte sich Dittli von der Werbegrafik ab und vertiefte sich stattdessen in die Gestaltung von Magazinen. Selbst die penible Ausrichtung der Buchstaben im Bleisatz konnte ihn nicht abschrecken. Im Gegenteil. Bis heute hat er sich diese Sorgfalt im Umgang mit Typografie bewahrt. Nachdem alle Artikel gelayoutet sind, überprüft er beispielsweise den Verlauf der Flattersätze, die aus Gründen der Lesbarkeit eben gerade nicht zu flatterig sein dürfen. Man könne sich nicht vorstellen, welche Diskussionen nur schon kleine gestalterische Experimente in den 1980er-Jahren noch ausgelöst hätten. An der Kunstgewerbeschule dagegen war es erwünscht, zu experimentieren und Sehgewohnheiten zu hinterfragen. Vieles, was damals experimentell ausgelotet wurde, ist heutzutage etabliert. So beispielsweise die ausschliessliche Verwendung von Grossbuchstaben in einer Titelschlagzeile oder eine Magazingestaltung, bei der man die Zeitschrift von vorne nach hinten und umgekehrt lesen konnte.

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Exkurs in die Modewelt

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Dass der scheue junge Schweizer seine erste Anstellung ausgerechnet als Grafiker bei «Vogue» Deutschland bekam, ist fast schon Ironie des Schicksals. In einer Welt zwischen Münchner Schickeria und erzkonservativem Biedersinn flüchtete er sich in seine Arbeit in der Redaktion, die ungemein spannend gewesen sei: «Ich lernte den Umgang mit Bildern bekannter Fotografen wie Bruce Weber, Peter Lindbergh und Helmut Newton, Ikonen der Mode-Fotografie!» 1988 holte ihn ein Freund zurück in die Schweiz, als Art Director für das Frauenmagazin «Annabelle». Auch Doris Guarisco, welche die Zeitschrift «Bioterra» von 1996 bis 2017 als Chefredaktorin leitete, hatte eine «Annabelle»-Vergangenheit, doch ihre Wege hatten sich damals nicht gekreuzt. Auf Benedikt Dittli aufmerksam wurde sie erst durch eine gemeinsame Bekannte. Doris Guarisco hatte 1997 die Vision, das Schwarz-Weiss-Heft zum vierfarbigen Magazin weiterzuentwickeln, und suchte dafür einen Grafiker: «Bioterra braucht ein neues Konzept für seine Vereinszeitschrift, hat kein Geld, aber die Sache an sich ist gut», erinnert sich Dittli an das trockene Briefing seiner Bekannten. Ein paar Brotjobs, um seine junge Familie zu ernähren, hatte der mittlerweile freischaffende Grafiker bereits. Somit freute er sich auf einen Kunden, zu dem er ideologisch stehen konnte: «Die Neukonzeption des Magazins war für mich als leidenschaftlichen Blattmacher ein schöner Auftrag. Und dazu noch zu einem Thema, für das mein Herz schlägt.» Der Auftrag umfasste die Entwicklung eines gestalterischen Gesamtkonzepts, einschliesslich Typografie und Rastersystem sowie der Definition einer eigenen Farb- und Bildsprache.

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Ohne Vitamin B

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Noch grösser war die Freude, als das anfängliche Beratungsmandat 2004 in einen festen Auftrag umgewandelt wurde. Von da an durfte Dittli alle sechs Ausgaben pro Jahr von A bis Z gestalten. Die Affinität habe einfach gepasst, sei er doch schon immer grün und an Naturschutz interessiert gewesen. Auch zur Bioszene hatte er einen engen Bezug, da seine Schwester mit Toni Niederberger verheiratet gewesen war. Der Mitgründer von Bio Suisse war damals Co-Präsident von Bioterra, wusste aber nichts davon, dass es sein Schwager war, der das Mandat bekommen hatte. Dennoch musste sich Dittli immer wieder anhören: «Ah, dank Toni hast du den Job bekommen!» Ein Irrtum. Vielmehr lag es daran, dass Doris Guarisco und er dieselbe Vision hatten: Aus der «Postille» der Anfangszeit wollten sie ein selbstständiges Gartenmagazin machen. «Sind wir in erster Linie eine Vereinszeitschrift oder wollen wir eine offene Publikumszeitschrift werden?» war DIE Frage, die im Raum stand. Beide waren überzeugt, dass es im Sinne der Biobewegung sei, den Biogedanken einer möglichst breiten Leserschaft zu vermitteln. Was zuweilen für Aufregung sorgte. Benedikt Dittli erinnert sich noch an den Aufschrei, den es nur schon wegen grossformatiger, farbiger Fotos gab.

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Entwicklung Bioterra Magazin

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Entwicklung Bioterra Magazin

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Gestalterische Weiterentwicklung

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Und als es 1999 die Historische Rosa Centifolia major auf das erste farbige Cover überhaupt schaffte, gab es deswegen bestimmt einzelne kritische Stimmen, da Rosen generell noch mit dem Einsatz von Pestiziden assoziiert wurden. Dass man später ganze Geschichten in Bildreportagen erzählte, stiess bei manchen ebenfalls auf Unverständnis. Daran, dass sich biologisch nachhaltiges Gärtnern über schwelgerische Bilder oder überraschende Porträt-Aufnahmen ohne erhobenen Zeigefinger vermitteln lässt, mussten sich viele erst gewöhnen. Die gestalterische und inhaltliche Weiterentwicklung spiegelte auch die Tatsache wider, dass nicht mehr die Landwirtschaft im Fokus stand, sondern das biologische Gärtnern im Nutz- und Ziergarten. Aus diesem Grund wich auf dem Cover der Slogan der Organisation «Der biologische Land- und Gartenbau» einem neuen. Seit 2003 lautet er: «Gärtnern – Gestalten – Geniessen». Was sich aus heutiger Sicht gefällig liest, war damals provokant und visionär zugleich. Denn keine andere Schweizer Gartenzeitschrift hatte das Thema Biogärtnern besetzt, derart ästhetisiert und damit einem neuen Publikum geöffnet – abseits der klassischen alternativen Szene.

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Wenig Ressourcen, mehr Fantasie

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Schritt für Schritt entwickelte sich das Magazin weiter, dynamisch wie ein Garten: «Im Gegensatz zu anderen Magazinen, die ich gemacht habe, ist ‹Bioterra› organisch gewachsen», freut sich Dittli. Jedes Jahr gebe es eine Ausgabe, von der er sagen würde, sie sei die bisher beste. In seinen Augen ist das ein Beweis dafür, dass es nicht unbedingt einen riesigen Stab an Mitarbeitenden braucht, um ein erfolgreiches Magazin herauszugeben. Zu seiner Zeit als Art Director bei «Annabelle» umfasste die Redaktion der Frauenzeitschrift rund 40 Personen. Jeden Tag verbrachte er Stunden an Sitzungen, musste die Arbeiten der Fotografen und Grafiker kontrollieren und hatte nur noch Zeit, die Titelseite selbst zu gestalten. Dagegen ist die «Bioterra»-Redaktion seit je klein. Für das Printmedium verantwortlich ist noch immer ein Zweier-Team aus Chefredaktorin/Verlagsleiterin und Grafiker, unterstützt von einem festen Kreis von freien Autor*innen, Illustrator*innen, Fotograf*innen, Fotolithografen, einer Korrektorin und einem Anzeigenverkäufer. Benedikt Dittli schätzt die kurzen Entscheidungswege, die daraus resultierende Selbstständigkeit und die Möglichkeit, zu experimentieren: «Spannend an meinem Job ist, dass ich diverse Berufe ausübe: Art Director, Bildredaktor, Info-Grafiker, Layouter, Polygraf und Fotograf.»

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Benedikt Dittli hinter der Kamera
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Dittli in seinem Element - hinter der Kamera. Foto: Anne Forster

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Zurück zur Fotografie

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Einen Mangel an Fotografen gab es in der Schweiz nie, doch wenige mit Bezug zum Thema Natur und Biogarten. So kam es, dass Benedikt Dittli in die Nische sprang und sich ab 2006 wieder seinem ursprünglichen Interesse, der Fotografie, zuwandte. Dabei erleichterte ihm die Digitalfotografie den Wiedereinstieg, war er doch bereits mit den Programmen zur Bildbearbeitung vertraut. Was ihn an der analogen Fotografie abgestossen hatte, war die Chemie in den Laboren und der Abfall, der bei grossen Shootings entstand. Das alles aber war nun Vergangenheit. Jetzt konnte er nicht nur seiner alten Leidenschaft frönen, sondern auch noch selbst festhalten, was er später am Computer layoutete: «Ich bin dankbar für die Fülle an Gärten, die ich dadurch kennenlernen durfte und darf», schwärmt er von seinen Aufträgen als Gartenfotograf. Fasziniert vom Licht, das die Bereiche eines Gartens nach und nach erhellt, steht er früh auf oder reist am späten Nachmittag an, um das beste Licht für den jeweiligen Garten einzufangen. Als leidenschaftlicher Wanderer und Tourengänger hat sich Benedikt Dittli schon immer für die wilde, ursprüngliche Natur interessiert. Gärten rückten erst später in sein Blickfeld. Wobei sich im Gespräch herausstellt, dass er eine Kindheitserinnerung in sich trägt, die lange im Verborgenen lag: «Den Garten unserer Nachbarin habe ich als wahre Zauberwelt im Kopf. Mit Stauden, die so hoch wie wir Kinder waren, sodass man auf verschlungenen Wegen von einem Raum in den anderen kam.» Mit derselben Begeisterung für die Schönheiten und Details am Wegesrand geht Dittli am Ende einer Heftproduktion nochmals alle Seiten des Magazins durch, damit die Lektüre visuell einem beschwingten, aber informativen Spaziergang gleicht.

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Jubiläums-Serie

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Unser 75-Jahre-Jubiläum nehmen wir zum Anlass, unsere bewegte Geschichte zu reflektieren. In einer siebenteiligen Serie lassen wir jeweils rund ein Jahrzehnt Revue passieren. Dies bewusst etwas anders. Denn eine reine Ahnengalerie der Präsidentinnen und Präsidenten sollte es nicht werden. Auch von der Chronologie wollten wir uns nicht zu stark einschränken lassen. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, eine Auswahl an Menschen hervorzuheben. Menschen, die durch ihre Überzeugungen, Aktivitäten und Visionen das biologisch naturnahe Gärtnern gelebt und propagiert haben – oder dies noch immer tun. In allen Porträts spannen wir den Bogen von der Vergangenheit zur Gegenwart.

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