Illustration Biogärtnereien, illustriert von Patrick Widmer

Biogärtnereien – Pflanzenliebe und Gartenkultur

Jubiläums-Serie: Gärtnern die Bewohner*innen der Romandie anders als jene der Deutschschweiz? Und schlägt ihr Herz für andere Pflanzen? Darauf Antworten zu finden, war die ursprüngliche Idee zu Folge 7 der Bioterra-Jubiläums-Serie. Im Gespräch mit drei Bio Staudengärtnernden beider Sprachregionen wurde der Bogen aber schnell weiter gespannt.

Von Carmen Hocker
Illustrationen: Patrick Widmer

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Ein Spätsommertag im Innenhof des Berner Generationenhauses. Ganz unterschiedliche Menschen kommen hier zusammen, um dem geschäftigen Treiben der Stadt zu entfliehen. Zum Gespräch über biologische Zierpflanzen und Gartenkultur haben sich drei zusammengefunden, die ebenfalls verschiedene Generationen und Regionen repräsentieren. Die 32-jährige Mona Thomi und der 60- jährige Walter Schüpbach, beide aus der Deutschschweiz. Und ihr Westschweizer Berufskollege Xavier Allemann, 60. Zwischen den Welten bewegt sich Allemann, wechselt zwischen Französisch, Schriftdeutsch und Mundart. In seiner Biogärtnerei «lautrejardin» in Cormérod FR treffen sich Pflanzenbegeisterte von überall her. Vorwiegend Deutschschweizer Kund*innen haben Mona Thomi von Aloha Gärten in Wimmis BE und Walter Schüpbach von der Schlossgärtnerei in Teufen ZH. Gespannt erkundigen sie sich bei ihrem Kollegen aus der Romandie, ob er denn einen Unterschied feststelle. Seine Westschweizer Kund*innen wünschten Pflanzen, die schon etwas darstellten, um sich zum Kauf zu entscheiden. «Zeige ich hingegen Deutschschweizer*innen einen Topf mit einer winzigen Blattrosette, sagen sie entzückt: ‹Super, die kleinen Blättchen, diese Staude möchte ich mitnehmen›», erzählt Xavier Allemann. Auch Walter Schüpbach hat die Erfahrung gemacht, dass seine vorwiegend zürcherische Kundschaft in den letzten Jahren kein «Instant Gardening» mehr wünscht, sondern die Geduld aufbringt, den Pflanzen beim Wachsen zuzusehen. Interessant ist auch, was sich in den letzten zehn Jahren in beiden Landesteilen abzeichnet: Alle drei Gesprächspartner* innen attestieren ihrer Kundschaft mehr gärtnerisches Know-how.

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Walter Schüpbach, Mona Thomi und Xavier Allemann, Bilder von Carmen Hocker

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Im Gespräch über Biozierpflanzen: Walter Schüpbach, Mona Thomi und Xavier Allemann (v. l.).

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Die Geschichte der Schweizer Biogärtnereien

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Timeline Biogaertnereien 1928 bis 1991
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Fotos: ETH-Bibliothek Jules Vogt, ZVG

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Wissbegieriger und informierter

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«Heute wissen viel mehr Menschen, dass eine Staude kein Strauch, sondern eine mehrjährige krautige Pflanze ist», nennt Mona Thomi ein Beispiel. Dank der Permakultur- Bewegung sind Zierpflanzen mit Nutzwert ins Bewusstsein der Gärtnernden gerückt. So wird Walter Schüpbach immer häufiger gefragt: «Was ist essbar?» Vor allem Städter seien begeistert, wenn sie erfahren, dass zum Beispiel die Blätter vom Guten Heinrich Chenopodium bonus-henricus zum Verzehr geeignet sind. In Massen, versteht sich. Xavier Allemann unterstreicht das Ganze noch mit einer weiteren Anekdote, die zeigt, dass es im Garten vielleicht gar keinen so breiten Röstigraben gibt. Denn hier wie dort interessieren sich die Gärtnernden für dieselben Themen: «Wenn du einem Freiburger sagst, dass schon seine Grossmutter in den Alpen aus diesen Blättern eine Suppe zubereitet hat, dann will er diese Pflanze unbedingt in seinem Garten haben.» Welche Pflanzen man sich für den eigenen Garten wünscht, hängt auch davon ab, was man andernorts sieht und als inspirierend empfindet. Es gab eine Zeit, als die Parkanlagen der Schweizer Städte vorwiegend durch Wechselflor-Rabatten charakterisiert waren. Diese Form der saisonalen «Wegwerfbepflanzung» erschien umweltbewussten Gartenbesitzer*innen zeitintensiv, zu wenig nachhaltig und deshalb nicht nachahmenswert.

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Heute wissen viel mehr Menschen als früher, dass es sich bei Stauden um eine mehrjährige krautige Pflanze handelt.
Source
Mona Thomi

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Mittlerweile haben einige Stadtgärtnereien jedoch eine Vorreiterrolle übernommen und die saisonalen Blumen durch dauerhafte, artenreiche Pflanzungen mit Stauden ersetzt. Zum Beispiel durch sogenannte Staudenmischungen, die Forschende um Axel Heinrich, Dozent für Pflanzenverwendung an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW in Wädenswil, entwickelt haben. Ursprünglich für den öffentlichen Raum konzipiert, sollten diese pflegeleichten Kompositionen, die klangvolle Namen wie «Silbersommer» oder «Indian Sunset» tragen, den Alltag der Stadtgärtnenden erleichtern. Gleichzeitig wurde darauf geachtet, dass vom Frühling bis in den Herbst immer etwas blüht und die Samenstände und Gräser auch im Winter für Struktur sorgen. Würden darüber hinaus mehr Städte biologisch kultivierte Stauden in ihren Pflanzungen verwenden, hätte das Sogwirkung, sind alle drei Gesprächspartner*innen überzeugt.

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Timeline Biogaertnereien 1992 bis 2008

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Zusätzlich könnte eine Zertifizierung solcher Grünflächen durch Bio Suisse einen Motivationsschub geben. Doch Walter Schüpbach ist verhalten optimistisch, dass es so weit kommen wird. Denn Bio Suisse sei ein Label-Geber für landwirtschaftliche Produkte: «In der Delegiertenversammlung sind mehrheitlich Landwirte aus den Bergen vertreten, die Milch produzieren. Für sie hat die Zertifizierung einer Zierpflanzenfläche in der Stadt strategisch gesehen keine Priorität », sagt Walter Schüpbach. Möglicherweise ist dies ein Grund dafür, weshalb die Verantwortlichen der Stadtgärtnereien von Basel, Luzern und Winterthur selbst aktiv wurden, um die Bedeutung des öffentlichen Grüns gegenüber Bevölkerung und Politik zu kommunizieren. Mit dem Label «Grünstadt Schweiz», gruenstadt-schweiz.ch, wurde 2012 eine Auszeichnung mit medialer Wirkung geschaffen, unterstützt von der Kommission für Technologie und Innovation KTI sowie dem Bundesamt für Umwelt. Zu den sechs Gründungsmitgliedern zählen unter anderem auch Bioterra und das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau FiBL. «In der Romandie gibt es zahlreiche Gemeinden, die diesen Weg gehen möchten», erzählt Xavier Allemann. Von den bisher elf zertifizierten Gemeinden liegen allein vier im Kanton Waadt: Morges, Ecublens, Renens und Lausanne. Und unter den elf Gemeinden, die sich derzeit im Zertifizierungsprozess befinden, liegen neun ebenfalls in der Romandie.

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Timeline Biogaertnereien 2008 bis 2020

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Fluch und Segen einer Mission

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Wie einflussreich Medien in Bezug auf die Sensibilisierung eines Themas sein können, zeigte die Aktion «Mission B», die vom Schweizer Radio und Fernsehen SRF 2019 lanciert wurde. Ziel: die Förderung der Biodiversität durch die Schaffung möglichst zahlreicher naturnaher, artenreicher Flächen. Schaut man sich die Fotos auf dem dazugehörigen Instagram- Account an, fallen jedoch vor allem Blumenwiesen und Ruderalstandorte ins Gewicht. Dazwischen liegen aber noch drei weitere Lebensbereiche mit unterschiedlichen Ansprüchen an Besonnung, Wasser, Temperatur und Bodenart: Heckenrand/Baumunterwuchs, feuchte und wechselfeuchte Standorte sowie der Lebensraum Wasser. Walter Schüpbach bedauert dieses einseitige Bild vom naturnah bepflanzten Gartenraum, das seiner Meinung nach nicht zu einer höheren Akzeptanz oder gar Begeisterung beitrage. Als er der Besitzerin von Schloss Teufen einmal vorschlug, einen Bereich mit einheimischen Wildstauden zu bepflanzen, winkte sie ab: «Nein, das wächst doch hinten am Waldrand!», gab sie ihm zur Antwort. Für ihn persönlich bedeutet ein Garten ein Experimentierfeld, in dem Verschiedenes nebeneinander Platz hat. «Dazu gehören für mich auch Pflanzen, die eben nicht hinten am Wald wachsen, sondern gezüchtet werden und Ausdruck unserer Gartenkultur sind», tritt er für sein geliebtes Metier ein.

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Für mich persönlich bedeutet ein Garten ein Experimentierfeld, in dem Verschiedenes nebeneinander Platz hat.
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Walter Schüpbach

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Xavier Allemann unterstreicht diese offene Sichtweise in Bezug auf die Pflanzenverwendung: «Pflanzen sollen respektvoll aufeinandertreffen dürfen. Für das bin ich Gärtner!» Eine Einteilung in Gut oder Böse, Dogmatismus gar, liegt ihm fern. Auf Offenheit und Interesse treffen die Biostaudengärtner*innen täglich im Austausch mit ihrer Kundschaft: «Die beste Pflanzenkenntnis haben oft passionierte Laien! Das fällt mir immer häufiger auf», erzählt Walter Schüpbach mit einer Mischung aus Bewunderung und Besorgnis. Letztere deshalb, weil er die fundierte Vermittlung von Pflanzenwissen für Zierpflanzen in der Ausbildung Garten- und Landschaftsbau vermisst. Selbst an der Gartenbauschule Oeschberg in Koppigen BE wird der Lehrgang «Gestalten mit Pflanzen» gerade nicht mehr angeboten. Ein Vakuum, das künftig vielleicht Bioterra als Schirmherrin füllen könnte, wie dies bei der Weiterbildung «Naturnaher Garten- und Landschaftsbau» NGL der Fall ist, oder allenfalls in Kooperation mit der Gartenbauschule Hünibach BE, mit der Bioterra bereits einen Lehrgang zum Thema Biogarten anbietet. Denn ein breites Pflanzenwissen der Profis ist wichtig: «Wir bemühen uns, eine möglichst grosse Vielfalt anzubieten. Diese wird aber nur von Menschen nachgefragt, die auch über entsprechende Kenntnisse verfügen», gibt Xavier Allemann zu bedenken. Bevor die beiden Herren ins Lamentieren geraten, unterbricht Mona Thomi sie: «Wir haben immer wieder Praktikant*innen der Biogartenbauschule Hünibach BE im Betrieb, die motiviert sind, Pflanzen samt den botanischen Namen zu lernen. Statt Karteikärtchen mit einer App.»

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Biogärtnereien Bioterra: Richtlinien in Kürze

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Der berufliche Zweig der Organisation ist in der «Fachstelle für Bio- und Naturgarten» organisiert. Ziel ist es, naturnahe und biologisch wirtschaftende Betriebe der grünen Branche miteinander zu verbinden. Das Qualitätssiegel garantiert der Kundschaft unserer Betriebe:

  • ein vielfältiges Pflanzenangebot in Bioqualität nach Richtlinien von Bio Suisse
  • kompetente und individuelle Beratung in Gartenfragen zum naturnahen, biologischen Gärtnern
  • die Verwendung geprüfter Betriebsmittel gemäss FiBL
  • umweltschonende betriebliche Abläufe
  • fundierte Fachkenntnis punkto Pflanzenverwendung und Gartengestaltung

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Gemeinsam statt gegeneinander

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Amateurgärtnernde werden von Profis zuweilen belächelt, weil ihnen die formale Ausbildung fehlt. Doch was zählt am Ende? «Beruf und Hobby vermischen sich in der Gartenbranche zunehmend, und wir sollten dies als Chance statt als Bedrohung sehen», ist der studierte Agronom Walter Schüpbach überzeugt. Über ein Sozialprojekt rutschte er vor über 25 Jahren ins Gärtnerische und liess sich mit der Schlossgärtnerei in Teufen auf das Abenteuer Staudenkultur ein. Heute ist er Teil des siebenköpfigen Vorstandes Bioterra Schweiz und leitet ausserdem zusammen mit Mona Thomi die Bioterra-Fachgruppe für Biogärtnereien. Mona Thomis Gärtnerinnenlaufbahn begann nach einem abgebrochenen Biologiestudium. Sie absolvierte eine Lehre zur Staudengärtnerin, studierte parallel dazu Philosophie. Auf Umwegen fand auch Xavier Allemann seinen grünen Weg. Nach einer kaufmännischen Ausbildung lernte er Topf- und Schnittblumen- Gärtner, bildete sich zum Obergärtner weiter und gründete 2004 die Staudengärtnerei «lautrejardin». Die grüne Szene erinnere ihn ein wenig an die Brauereiszene. Kaum dachte man, die Branche sei gestorben, gründeten vorwiegend idealistische Laien allerorts Mikrobrauereien: «Was zählt, ist die Begeisterung. Damit wird man vielleicht nicht reich, aber wenn ich montags aufstehe, habe ich Lust, das zu tun, was ich mache», so Xavier Allemann zu seiner Motivation.

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In der Romandie gibt es zahlreiche Gemeinden, die ihre Zierpflanzenflächen zertifizieren lassen möchten.
Source
Xavier Allemann

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Parlez-vous français

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Bioterra zählt rund 16 500 Mitglieder, die automatisch die gleichnamige Zeitschrift auf Deutsch erhalten. Walter Schüpbach findet, dass die Symbiose zwischen Magazin und Biogärtnereien positiv sei, «das Medium vermittelt Wissen und vor allem lustvolles Gärtnern.» In der Romandie dagegen ist Bioterra unbekannt. Das Magazin zweisprachig zu produzieren, wäre kostspielig. Es muss auch nicht unbedingt Print sein. Wer weiss, vielleicht gibt es dereinst einen Instagram-Account der Fachgruppe Biogärtnereien. Mit Pflanzenkompositionen nach Lebensbereichen, mit Kurzbeschreibungen auf Deutsch und Französisch, bien sûr!

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Jubiläums-Serie

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Unser 75-Jahre-Jubiläum nehmen wir zum Anlass, unsere bewegte Geschichte zu reflektieren. In einer siebenteiligen Serie lassen wir jeweils rund ein Jahrzehnt Revue passieren. Dies bewusst etwas anders. Denn eine reine Ahnengalerie der Präsidentinnen und Präsidenten sollte es nicht werden. Auch von der Chronologie wollten wir uns nicht zu stark einschränken lassen. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, eine Auswahl an Menschen hervorzuheben. Menschen, die durch ihre Überzeugungen, Aktivitäten und Visionen das biologisch naturnahe Gärtnern gelebt und propagiert haben – oder dies noch immer tun. In allen Porträts spannen wir den Bogen von der Vergangenheit zur Gegenwart.

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