Blühende Dolden von Rüebli der Sorte ‘Blanche de Belgique’. Von Sandra Weber Familienbetriebe haben oft Schwierigkeiten, einen Nachfol- ger zu finden. Einen Sohn oder eine Tochter, auch ein Neffe oder eine Nichte wäre willkommen, Hauptsache ein Famili- enmitglied ist kompetent genug und gewillt, das Unterneh- men weiterzuführen. Christine und Robert Zollinger hatten dieses Problem nicht. Als sie Ende 2016 nach über dreissig Jahren Bio-Pionierarbeit in den Ruhestand traten, erklärten sich gleich drei ihrer vier Söhne bereit, die Samenmanufaktur Zollinger Bio in Les Evouettes weiterzuführen. Seit gut einem Jahr sitzen nun also Tizian, Til und Tulipan Zollinger am Steuer und kümmern sich im Unterwallis um den Anbau, die Verarbeitung und den Vertrieb der Samen von mehr als 450 Sorten und Arten von Blumen, Gemüse und Kräutern – in erster Linie für leidenschaftliche Freizeitgärtnerinnen und -gärtner in der ganzen Schweiz. Der Samenbau ist eine Wissenschaft für sich. Denn jede Pflanze hat ihre eigene Methode entwickelt, sich zu vermeh- ren. Wie, das wissen meist nur diejenigen, die ihren Gmües- blätz zwecks Ferien schon mal ein paar Wochen unbeaufsich- tigt liessen – und bei ihrer Rückkehr kniehohe Salate antrafen, vielleicht sogar in voller Blüte, bereit, ihre Samen, ähnlich wie die des Löwenzahns, vom Wind davontragen zu lassen. Bei Rüebli müsste man etwas länger warten. Sie bilden erst im zweiten Standjahr hübsche weisse Doldenblüten, die im Spätsommer Samen ansetzen. Normalerweise ernten wir Gemüse, bevor die Samen ausgereift sind – blühende Radies- chen, Karotten und Salate schmecken nicht mehr. Gurken sind sogar fast am Verfaulen, wenn ihre Samen endlich keim- fähig sind. Diese herauszukratzen und vom klebrigen Schleim zu befreien, gehöre zugegebenermassen nicht zu den Lieb- lingsarbeiten auf dem Hof, erzählt Tulipan Zollinger, der älteste der drei Brüder. «Aber bis jetzt gibt es noch keine Maschine, die uns das abnehmen könnte.» Dies gelte auch für viele andere anfallende Arbeiten im Saatgutbetrieb. «Da- rum ist bei uns vom Anbau über das Ernten und Verarbeiten bis zum Verpacken noch immer vieles Handarbeit.» ANGEPASSTE SORTEN Zwar sind für das Verlesen und Reinigen mancher Kulturen teilweise Maschinen im Einsatz, Siebrüttler etwa, die zu klei- ne, unreife Samen aussortieren, oder Gebläse, die mit lautem Getöse das Spreu vom Korn trennen. Und auch bei der Ernte verwenden Zollingers manchmal kleine Mähdrescher – meis- tens lohne es sich aber nicht. «Unsere Anbauflächen sind schlicht zu klein. Der Mähdrescher muss nach jeder Ernte komplett gereinigt werden, um eine Vermischung des Saat- guts zu verhindern. Das ist für uns zu zeitaufwendig», erklärt Tulipan. «Gewisse Kulturen, etwa Rüebli, reifen zudem über mehrere Wochen und können deshalb nicht auf einen Schlag geerntet werden – ein Mensch muss das Feld regelmässig kontrollieren und laufend die bereits reifen Samenstände abschneiden.» Anschliessend werden sie getrocknet, in Säcke gefüllt und dann von Hand gedroschen. 16 B I O T E R R A 1 / 2 0 1 8 F O T O S : B E N E D I K T D I T T L I F O T O S : B E N E D I K T D I T T L I