FRÜHL INGSG ARTE N Es ist uns wichtig, dass es dem Garten gut geht. Mettendorf, den 12. Mai 1848 Liebste Marie Beinahe vier Wochen sind wir schon in Metten- dorf installiert und tragen nach allen Kräften zur Bepflanzung und Verschönerung des Gartens bei. (…) Wir könnten uns beinahe für Gärtnerinnen ausgeben, wenn alles so fortfährt zu gelingen wie bis jetzt. Nachdem wir ganz die Hoffnung aufgegeben haben, sind endlich auch Melonen erschienen, für welche wir uns alle Mühe geben werden. Marta mit einer Bergère auf dem Kopf und einer Haue in der Hand besorgt das Gemüsedepartement und sieht dabei ganz malerisch aus. (…) Deine Henriette Von Sandra Weber Eine Bergère, einen französischen Strohhut, trägt Susi Hälg nicht, wenn sie ihren Rundgang durch ebendiesen Garten macht, dafür wird sie meist von ihrer Berner Sen- nenhündin Paulette begleitet, die begeistert mal da, mal dort schnuppert. Sicher riecht es nicht mehr ganz so in- teressant wie damals, vor 173 Jahren, als die Färberei gleich nebenan mit Färberkrapp und unter der Verwen- dung von Kuhmist, Rinderblut und ranzigem Öl für die nahe Textilmetropole St. Gallen edle Leinenstoffe in so- genanntem «Türkisch-Rot» färbte. Heute verbreitet der Osmanthus, ein weiss blühender Strauch, seinen süssen Duft im Frühlingsgarten der ehemaligen Fabrikantenvil- la. Er mischt sich mit dem der zahlreichen Engelstränen- Narzissen – und wer eine so gute Nase wie Paulette hat, kann vielleicht sogar die Veilchen erschnuppern, welche den bewaldeten Bereich des Gartens zieren. Dort seien schon Anna Elisabeth und Henriette Kelly, die Töchter des Fabrikbesitzers und Erbauers des Hauses, Johann Kelly, gerne spaziert, erzählt Norbert Hälg, Susi Hälgs Ehemann. Der pensionierte Betriebswirtschafter hat die Briefe, wel- che die beiden jungen Frauen an ihre Schwester Marie Billwiller-Kelly in Brasilien schrieben, über Jahre zusam- mengetragen und für das Archiv der St. Galler Kantons- bibliothek aus der alten Schrift transkribiert. Dabei hat er sich intensiv mit der Geschichte der fast 200 Jahre alten Liegenschaft befasst, welche Susi Hälgs Urgrossvater 1903 erwarb. Von grossem Interesse sind für das Paar da- bei natürlich die Stellen in den Briefen, welche den park- ähnlichen Garten beschreiben. Zwar umfasst dieser mit rund 12 000 m2 heute nur noch etwa die Hälfte der eins- tigen Fläche, und statt auf blaue Leinfelder fällt der Blick auf Häuserzeilen. Aber noch immer wird er von prächtigen Stauden, grossen Wiesen, einem Obstgarten und zahlrei- Porträt in Gouache von Anna Elisabeth Kelly. Ein Aquarell um 1850, auf dem Hügel die Villa (l.) und die Türkisch-Rot-Färberei (r.). 16 B I O T E R R A 2 / 2 0 2 2 | B I L D E R : Z V G