G A R T E N P O R T R Ä T dige Bauplanerin, selber entworfen hatte, bestand der Garten hauptsächlich aus einem grossen Haufen Erde, der vom Aus- hub übrig geblieben war. Mit dem Bau hatten sie ihr Budget praktisch ausgeschöpft. Deswegen aber einfach Rasen an- zulegen, kam für Carmen Siegrist nicht infrage: Schon lan- ge träumte sie von einem Garten im englischen Stil, mit üppigen Staudenbeeten und Bäumen, in deren lichten Schat- ten Funkien und Silberkerzen wachsen. Einem Garten mit Sitzplätzen für jede Tageszeit, einer grossen Feuerstelle zum Kochen im Freien und einem Spielplatz für die Kinder. Kurz: einem Garten für die ganze Familie. Sie erinnert sich noch gut an diese Zeit: «Zwei Monate nach der Aufrichte zogen wir ein. Das Haus befand sich im Rohbau. Tagsüber halfen wir auf der Baustelle, strichen Wände, verlegten Böden, wäh- rend Jana und Maurin, damals zwei und vier Jahre alt, zwi- schen Holzbrettern und Farbeimern spielten. Abends las ich mich durch einen grossen Stapel Gartenbücher, einen ganzen Winter lang.» SPIELPLATZ UND BAUMHAUS FÜR DIE KINDER So eignete sie sich das nötige Wissen an, um sich im darauf- folgenden Frühjahr mit kleinstem Budget ihren Gartentraum zu verwirklichen. «Fast alles zog ich aus Samen oder Steck- lingen. Was ich kaufte, habe ich wenn möglich vor dem Ein- pflanzen geteilt, um gleich mehrere Exemplare setzen zu können», verrät Carmen Siegrist. Derweil kümmerte sich ihr Mann um die Erstellung der Kieswege und Sitzplätze, die sie mit Sägemehl auf der Erde markiert hatte. Kaum hatte Rolf Siegrist den Kies verteilt, trafen 18 Tonnen Sandstein für die Hochbeete und Trockenmauern ein. Abermals arbeitete er sich mit der Schubkarre ums Haus herum. «Mein Mann hat wohl jeden einzelnen Stein in diesem Garten drei, vier Mal in der Hand gehabt», schätzt Carmen Siegrist. Nur bei den Findlin- gen erhielten die beiden Hilfe von einem Baggerführer. Mit diesen aus dem Aushub stammenden Steinen rahmte Rolf Siegrist den Sandhaufen der Kinder ein. «Der Spielplatz musste damals gleich als Erstes erstellt werden, damit die Kinder etwas zu werkeln hatten, während wir im Garten bud- delten», erzählt Carmen Siegrist. Und obwohl damals noch kein Baum wuchs, bekamen die Kleinen sogar ein Baumhaus dazu. Auf einem alten Kirschenbaumstamm, den Rolf Siegrist in den Boden betonierte. «Bei unserem eigenen Haus mussten wir sparen wie verrückt, aber für das Baumhaus verbaute Rolf puren Luxus: Nussbaum und Bangkirai», erzählt Carmen Siegrist und lacht. Das vermeintlich teure Holz stammte aus Schreinereiabfällen. Die grosse Baumscheibe, die heute als Platte des schmucken Bistrotischs auf der Veranda dient, hatte der ambitionierte Hobbyschreiner, der eigentlich voll- amtlich als Betreuer in einem Heim für behinderte Menschen arbeitet, bei einem Waldspaziergang entdeckt und bekam sie daraufhin vom Bauern geschenkt. Und die grosse Feuerscha- le beim Grillplatz neben dem Weidenpavillon stammt von einem alten Käsekessi, auf dem Rolf und Carmen schon vor zwanzig Jahren mit ihren Freunden Würste grillten. «Wir sind beide ein bisschen so», sagt Carmen Siegrist, «wir nehmen, was wir haben, und machen das Beste daraus.» Das gilt auch für Tochter Jana, die im Garten lieber einen Pferdestall als einen Carport gehabt hätte. Dafür baute ihr Rolf Siegrist aus einem alten Baumstamm ein fast lebens- grosses Pferdchen. Rosalie wird innig geliebt, regelmässig geritten und darf beim Wiesenherz weiden, einer Wildwiese in Herzform, die Carmen Siegrist zweimal im Jahr mit der Sense mäht. Sogar der Weidenpavillon ist eigentlich ein Kompromiss: «Der Pavillon aus Gusseisen, von dem ich träumte, war schlicht zu teuer», erzählt sie. «Nun würde ich nicht mehr tauschen wollen!» WEIDEN SPENDEN LICHTEN SCHATTEN Heute lässt sich nur noch erahnen, wie viele Stunden harter Arbeit das Paar in einen Garten investierte, der wirkt, als Für Jana und Maurin ist der Garten ein Spielparadies mit Baumhütte, Holzpferd Rosalie und einer grossen Wiese. 24 B I O T E R R A 3 / 2 0 1 4 F O T O S : B E N E D I K T D I T T L I