Z I E R L A U C H Allium senescens ssp. senescens mit Blauem Schillergras. Ursula Yelin und Stephan Aeschlimann Yelin. Allium ‘Purple Rain’ und Blaugras. Vo n S a n d ra We b e r Ende Mai entzündet sich zwischen den weichen, grünen Hügeln des Emmentals ein lautloses Feuerwerk: Unzählige Kugeln erblühen in Silberweiss und Goldgelb, Lila, Violett und Granatrot und scheinen im Licht der Sonne Funken zu sprühen. Weisse, zielstrebig aus dichtem Grün gen Himmel ragende Schweife vervollständigen das Bild. Es ist der Allium, Zierlauch, der, an manchen Stellen von Herbst-Kopfgras Sesleria autumnalis begleitet, ein solches Spektakel veranstaltet, dass Besucherinnen und Besucher von nah und fern in das kleine Berner Dorf Eriswil reisen, um es sich anzusehen. Anders als ein gewöhnliches Feuer- werk hat das von Gärtner Stephan Aeschlimann Yelin und seiner Frau, der Landschaftsarchitektin Ursula Yelin, entzün- dete den Vorteil, dass es weit länger als nur ein paar Minuten dauert. Und sogar länger als bloss die durchschnittliche Blüh- dauer des Zierlauchs. Denn einerseits werden die langen, schlanken Stängel mit den verblühten Kugeln noch bis in den Herbst stehen gelassen – auch ohne Blütenblätter machen die transparenten, scheinbar über den Beeten schwebenden Bälle noch eine gute Figur – andererseits haben die beiden Inhaber von Gartenwerke dafür gesorgt, dass in ihrem Alli- um-Schaugarten «Kissen und Kugeln» noch zahlreiche an- dere schöne Stauden, Gräser und Kleinsträucher einen Auf- tritt haben: So übernehmen im Hochsommer Junkerlilien Asphodeline liburnica und Steppenkerzen Eremurus ste- nophyllus, Kugeldisteln Echinops ritro, Haarstrang Peuce- danum rablense und Bleiwurz Amorpha canescens die Regie. Dazwischen schweben wie hauchzarte Wolken die Ähren von Gräsern wie Muhlenbergia, Koeleria und Penni- setum, zu ihren Füssen scharen sich das Klippen-Leinkraut Silene uniflora, Grasnelken Armeria pseudoarmeria und Sisyrinchium montanum als weiche Polster. «Wir haben uns überlegt: Was genau macht das Wesen des Alliums aus?», erklärt Stephan Aeschlimann Yelin. «Ei- nerseits bildet er kompakte, opulente Kugeln, andererseits sind da diese langen, unbelaubten Stängel, auf denen die Blüten fast zu schweben scheinen. Dieser Kontrast macht den Zierlauch zu etwas ganz Besonderem.» Begleitstauden sollten darum entweder das Lineare, Vertikale betonen – des- halb passen Ziergräser so gut – oder ebenfalls dieses Kugeli- ge, Schwebende verkörpern, also Kugeln, Kissen und Polster bilden, findet das Ehepaar. Entstanden sind wunderbar ganz- heitliche Gartenbilder, die sich mit jedem Schritt auf dem gewundenen Kiesweg und mit jeder Jahreszeit wieder neu manifestieren. Das ist ganz im Sinne der beiden Gestalter: «Ein Garten ist ein Prozess und verändert sich laufend. Die Aufgabe des Gärtners ist es, zu schauen, dass er zu jeder Zeit ein schönes Bild macht. Eine Art steht zudem nie allein an einem Standort, sie ist stets eingebettet in eine Pflanzenge- sellschaft», so Stephan Aeschlimann Yelin. Dieses Einbetten sei beim Allium ganz besonders wichtig. «Die meisten blühen ja eher früh im Jahr. Ausserdem vergilbt das Laub bei vielen 2 22 B I O T E R R A 4 / 2 0 1 6 F O T O S : B E N E D I K T D I T T L I