Kühlende Pergola, Bild: Benedikt Dittli

Kühlung in Hitzesommern

In Städten und Dörfern steigen die Temperaturspitzen im Sommer in tropische Bereiche. Verantwortlich dafür sind die vielen Flächen aus Beton, Teer, Metall oder Glas, die sich in der Sonne stark aufheizen. Mit neuen Begrünungskonzepten lassen sich die Temperaturspitzen kappen.

Von Atlant Bieri

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Fakts zu Hitzesommern, Bilder von mauritius, Benedikt Dittli
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Bilder: mauritius, Benedikt Dittli

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Fakts zu Hitzesommern, Bilder von Benedikt Dittli, mauritius
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Bilder: Benedikt Dittli, mauritius

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Fakts zu Hitzesommern, Bilder von Benedikt Dittli, Flora Press
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Bilder: Benedikt Dittli, Flora Press

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Den Garten kühlen

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Bäume helfen, im Garten das Mikroklima zu kühlen. Wichtig ist, sie möglichst jung zu pflanzen, weil sie dann leichter anwachsen. Diese einheimischen Baumarten eignen sich zur Kühlung des Gartens:

Kleine Bäume | bis 5 Meter Höhe

  • Mittelstämmiger Obstbaum, (Apfel, Birne, Kirsche, Quitte)
  • Faulbaum (Strauch)

Mittlere Bäume | bis 15 Meter Höhe

  • Feldahorn
  • Hopfenbuche
  • Traubenkirsche
  • Mehlbeere
  • Speierling
  • Elsbeere

Grosse Bäume | bis 20 Meter Höhe

  • Spitzahorn
  • Zitterpappel
  • Kirsche
  • Flaumeiche
  • Winterlinde

Sehr grosse Bäume | über 20 Meter Höhe

  • Stieleiche
  • Traubeneiche
  • Bergahorn

(Quelle: Aktion Klimaoase)

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Schattenspendende Bäume, Bild von Benedikt Dittli
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Im Durchschnitt dauert es fünf bis sieben Jahre (unabhängig von der Endgrösse), bis Bäume ihre schattenspendende Wirkung voll entfalten. Bild: Benedikt Dittli

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Die Schweiz wird aufgrund des fortschreitenden Klimawandels gerade zu einem Ofen. Erwärmte sich die Welt seit 1850 um 1,1 °C, sind es hierzulande inzwischen 2,1 °C. Damit unsere urbanen Räume in den Sommermonaten bewohnbar bleiben, muss Kühlung her. Beispielsweise, indem Plätze, Hausfassaden, Dächer und Vorgärten entsprechend bepflanzt werden. Viele Städte in der Schweiz und im Ausland haben sich bereits entsprechende Hitze-Strategien zugelegt und teilweise mit der Umsetzung begonnen.

In der Stadt sind übermässig hohe Temperaturen während der Sommermonate ein altbekanntes Problem. Sascha Roesler, Professor für Architektur an der Università della Svizzera italiana im Tessin, ist Experte für die Klimatisierung von Städten und sagt: «Das Thema reicht bis in die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen zurück. Damals hatte man in Deutschland und Österreich zum ersten Mal das Phänomen der Hitzeinsel gemessen und beschrieben.» Hitzeinseln entstehen dort, wo versiegelte Oberflächen und mineralische Baustoffe wie etwa Beton gegenüber Grünflächen überwiegen. «Die Betonflächen spielen sich wie im Pingpong gegenseitig ihre Wärmeabstrahlung zu», erklärt Sascha Roesler. Das Resultat ist eine Art Treibhauseffekt.

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Hitzetage und Tropennächte

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Ein weiterer Faktor ist das Wasser. «Statt das Regenwasser an der Oberfläche verdunsten zu lassen, was Kühlung bringen würde, leiten es die meisten Städte durch einen Gully direkt in die Kanalisation.» Dadurch kann es auch auf dem Land unerträglich werden. Wer den Garten mit Steinhaufen überschüttet und mit Gartenplatten zupflastert, schafft sich ein ähnlich heisses Klima wie mitten in einer Stadt.

Die Prognosen stehen indes schlecht. Berechnungen aus Zürich zeigen, dass sich die Zahl der Hitzetage (über 30 Grad) im Stadtzentrum in den nächsten zwei Jahrzehnten mehr als verdoppeln werden, von derzeit 20 auf 44. Bei den Tropennächten (über 20 Grad) sind die Aussichten noch trüber. Ihre Zahl erhöht sich von 20 auf 50. Das macht dann fast zwei Monate, in denen sich die Städter im Bett wälzen.

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Dachterrasse kühlen

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Wegen der extremen Lage hitzebeständige Pflanzen für die Terrasse wählen, die es regelmässig zu bewässern gilt.

Dachterrasse | Diese Arten eignen sich:

  • Kleinwüchsige Föhre
  • Blasenstrauch
  • Felsenbirne
  • Weidenarten
  • Strauchkronwicke
  • Färber-Ginster
  • Waldrebe
  • Gemeine Berberitze
  • Hängebirke

Balkon | Diese Pflanzen eignen sich auf dem Balkon an der prallen Sonne:

  • Kletterpflanzen (Glyzinie, Windendes Geissblatt) im Topf mit gespanntem Draht als Kletterhilfe
  • Nelken
  • Gräser
  • Majoran, Basilikum oder Minze (eher geringe Kühlung wegen des kleinen Schattenwurfs)

Faustregel: Je grösser die Töpfe, desto weniger muss man giessen. Nutzlast des Balkons berücksichtigen!

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Kühlende Balkonbepflanzung, Bild: Benedikt Dittli
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Je mehr Pflanzen und je mehr Schattenwurf, desto grösser die Kühlung. Da die Dachterrasse mehr Gewicht aushält als ein Balkon, können sowohl Töpfe wie Pflanzen grösser sein. Bild: Benedikt Dittli

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Helle Wände, kühlende Pflanzen

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Es eilt also. Darum hat der Zürcher Stadtrat im Frühling vor zwei Jahren das über 200 Seiten starke Dokument «Fachplanung Hitzeminderung» und dessen Umsetzungsagenda vorgestellt. Es ist das bislang detaillierteste und umfassendste Programm seiner Art in der Schweiz. Start ist per sofort. Neben bautechnischen Massnahmen wie beispielsweise hellen Fassaden, welche das Sonnenlicht wegreflektieren, kommt Pflanzen eine grosse Rolle zu. Denn sie kühlen ihre Umgebung gleich doppelt: Bei der Fotosynthese verdunstet Wasser aus ihren Blättern, was der Luft Wärmeenergie entzieht, und gleichzeitig spenden sie Schatten. Der Kühlungseffekt eines Baumes lässt sich inzwischen sogar beziffern. Auf einen Rasen gepflanzt, beträgt er durchschnittlich 4 °C. Diese Wirkung entfaltet er je nach Grösse seiner Krone in einem Umkreis zwischen 7 und 20 Metern. Über einer Asphaltfläche kühlt er immerhin noch rund 2 °C. Darum spriessen nun in Schweizer Städten wie Bern, Basel oder Zürich allenthalben Bäume an Strassenrändern, Trottoirs, öffentlichen Plätzen und zwischen Wohnsiedlungen. Sogar auf dem Zürcher Sechseläutenplatz gibt es inzwischen fünf Baumgruppen. Damit das funktioniert, muss der Grund rund um die Baumbasis entsiegelt werden, sodass Regenwasser und Luft zu den Wurzeln gelangt. Langfristig will Zürich die Grünflächen möglichst miteinander verbinden, sodass man sich beim Spaziergang von einem «klimatischen Trittstein» zum nächsten hangeln kann. Ähnliches verfolgt der Kanton Aargau. Mit dem Projekt «Klimaoasen» (siehe auch Bioterra 1/2021) unterstützt er das Anpflanzen von Einzelbäumen in Dörfern und Städten. Meist gibt es dazu auch eine Sitzbank für die kühlende Verschnaufpause.

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Rudaralpflanzen und Bäume

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Mittlerweile ist das heisse Thema auch im Privatgarten angekommen, und zwar sowohl in der Stadt als auch in ländlichen Gebieten. Das verändert die Art und Weise, wie wir unsere Gärten gestalten. Der Trend gehe weg von Stein und Beton, weiss David Stähli, Naturgarten- und Landschaftsbauer in Biberist AG: «Wir hatten kürzlich einen Kunden, dessen Haus komplett mit Geröll umgeben war. Es sah aus wie auf einem Güterbahnhof.» Der Kunde habe ihn aus der Not heraus kontaktiert, weil es im Sommer «mega heiss» wurde. «Wir haben dann das Geröll entfernt und durch Wandkies ersetzt. Darauf setzten wir verschiedene Ruderalpflanzen. Der Vorteil: Diese Pflanzen vermehren sich jedes Jahr von alleine, und jäten ist auch einfacher. Die Flächen liefern zudem einen wichtigen Beitrag für die Artenvielfalt.»

Am häufigsten werde mit einem Baum für Abkühlung gesorgt. «Er gibt Schatten, den man unmittelbar nutzen kann», weiss David Stähli. «Wer zu wenig Platz dafür hat, wählt stattdessen eine Pergola.» An ihr ranken sich hitzebeständige und pflegeleichte Pflanzen wie Glyzinie oder Windendes Geissblatt in die Höhe. Auch südliche Nutzpflanzen wie Trauben oder Kiwi eignen sich, aber bei ihnen ist der Pflegeaufwand grösser.

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Exponierte Plätze kühlen

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Auf der Dachterrasse bringt eine Pergola Kühlung. Dasselbe gilt auch im Garten, die Temperaturen sinken entsprechend. Wer auf der Terrasse eine Pergola bewachsen lässt, wählt für diese Extremlage folgende Kletterpflanzen:

  • Weinreben
  • Passionsblume (bedingt winterhart)
  • Kletterrosen
  • Clematis
  • Glyzinien
  • Windendes Geissblatt
  • Kiwi

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Wand- und Fassadenbegrünung

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Waren sie vor einigen Jahrzehnten eine Modeerscheinung, haben sie heute eine klare Funktion als natürliche Kühlung für Wohnungen wie Aussenbereiche: die Wand- und Fassadenbegrünungen, deren Effekt riesig ist. Eine bewachsene Fassade senkt die Aussentemperatur nachweislich um rund 5 °C, und das bis zu einer Reichweite von 14 Metern. Eines der berühmten und extremen Beispiele hierzu ist der «Bosco verticale», der vertikale Wald, in Mailand. 2014 wurden dort zwei neue Hochhäuser von oben bis unten mit 900 Bäumen und rund 20 000 kleineren Pflanzen begrünt.

Nebst dem öffentlichen Raum möchte die Stadt Zürich Privatgärten in ihr Hitzeminderungskonzept einbinden, allerdings auf freiwilliger Basis. Basel-Stadt sieht es nicht so locker. Darum sind Schottergärten im Privatbereich seit Jahren gemäss Bau- und Planungsgesetz verboten. Und der Kanton hat 2019 nun schon die zweite Klimaanalyse gemacht und arbeitet gerade ein entsprechendes Massnahmenpaket aus. Armin Kopf, Leiter Grünplanung Basel-Stadt, dazu: «Neben den bekannten Einschränkungen bei der Biodiversität wirken Schottergärten der Hitzeminderung entgegen. Wenn Baugesuche für solche Gestaltungen eingehen, werden diese abgelehnt», und er fügt an: «Leider gibt es eine Dunkelziffer bei den Umgestaltungen, die ohne Bewilligung erfolgen.» Die Bevölkerung sei aber inzwischen sensibilisiert und melde solche Verstösse immer wieder dem Bau- und Gastgewerbeinspektorat, das dann ein Verfahren für Rückbau einleite.

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Dieser Artikel erschien im Rahmen des Bioterra Jahresthemas 2021 «Gärten im Klimawandel» in der Juli/August-Ausgabe 2021 des Magazins «Bioterra».

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