Viren und andere Krankheitserreger tummeln sich auch im Pflanzenreich. Mit gewissen Vorsichtsmassnahmen und einem Auge darauf lässt sich im Garten viel Ärger ersparen.
Von Nicole Egloff
Titelbild: Runde, gelbe Flecken auf den Tomatenfrüchten deuten auf das Jordanvirus hin (EPPO Global Database)
(Dieser Artikel wurde in der Mai/Juni-Ausgabe 2024 der Zeitschrift «Bioterra» publiziert)
Quarantäne. Gesundheitszertifikate. Viren. Wir kennen es nur zu gut aus den vergangenen Jahren. Was bezüglich Corona fast wieder in Vergessenheit geraten ist, betrifft nun den Tomatenanbau im grossen Stil. Der Grund: 2021 wurden in der Schweiz erste Fälle des Jordanvirus entdeckt. Es kann innert Kürze allen Tomatenpflanzen in einem Gewächshaus den Garaus machen. Dass dieses unter dem wissenschaftlichen Namen «Tomato Brown Rugose Fruit Virus» oder kurz ToBRFV bekannte Virus möglichst nicht weiterverbreitet werden soll, versteht sich von selber. In unseren Gärten und Feldern kursieren noch viele weitere Viren, ebenso wie schädliche Bakterien und Pilze. Sie alle haben zwar keine so fatale Auswirkungen wie das ToBRFV. Sie nach Möglichkeit einzudämmen, ist aber die Aufgabe von allen, die mit Pflanzen arbeiten – auch in unserem eigenen Interesse.
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Neues Ungemach
Ein abgesichertes Quarantänelabor, in dem steril gekleidete Forscher*innen Proben von eben am Flughafen Zürich Kloten angekommenen Tomatensetzlingen untersuchen: Was nach Science-Fiction tönt, ist kein Einzelfall, sondern notwendig. Denn der internationale Handel mit Pflanzen nimmt ständig zu. Dadurch wächst die Gefahr, Schädlinge, Pilze oder eben Krankheiten einzuschleppen. In einem Fall vom Mai 2022 wurde beispielsweise dank dieser Kontrolle das Jordanvirus nachgewiesen, was zur Vernichtung der Lieferung von 6000 Tomatensetzlingen führte. Im gleichen Jahr entdeckte man so vier weitere Fälle des Jordanvirus in der Schweiz. 2023 waren es gemäss Angaben der landwirtschaftlichen Forschungsstelle Agroscope bereits deren acht. Mit rigiden Hygiene- und Quarantänemassnahmen konnte das ToBRFV auf den einzelnen Betrieben in den meisten Fällen innert weniger als einem Jahr wieder getilgt werden. Das Perfide am Jordanvirus ist aber, dass es zu den besonders gefährlichen Tobamoviren gehört. Diese sind sehr langlebig und äusserst ansteckend. Entsprechend schnell verbreiten sie sich im Bestand: Sie können schon über Berührung übertragen werden. Und anders als andere Pflanzenkrankheiten wird das Jordanvirus auch übers Saatgut an die nächste Pflanzengeneration weitergegeben.
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Pflanzenpass gibt Sicherheit
Eine Sanierung nach einem Virenbefall ist sehr aufwendig. Besser also, wenn es gar nicht so weit kommt. Sicherheit gibt der Pflanzenpass. Betriebe, die gewerblich mit Pflanzen handeln, werden regelmässig auf Schadorganismen überprüft und bekommen einen Pflanzenpass ausgestellt, der besagt, dass ihre Pflanzen gesund sind. Pflanzenpasspflichtig sind grundsätzlich alle Pflanzen und Pflanzenteile (ausgenommen Samen), unabhängig von der botanischen Art, die zum (Wieder-)Auspflanzen vorgesehen sind. Bei den Samen ist nur die Weitergabe von Tomaten-, Paprika- und Kartoffelsamen von der Pflanzenpasspflicht betroffen. Achten Sie also beim Pflanzenkauf darauf, dass sie aus zertifizierter Quelle stammen.
In Gartenkreisen stellt sich nun rasch die Frage: Darf ich meiner Nachbarin noch von meinem selber geernteten Tomatensaatgut weitergeben, wenn ich keinen Pflanzenpass habe? Die Antwort ist ein klares Ja. Komplizierter wird es, wenn Saatgut verschickt wird, da so Krankheiten theoretisch viel weiter verbreitet werden können und die Rückverfolgbarkeit schwieriger wird. Sofern es sich um einen unentgeltlichen Austausch zwischen Privatpersonen handelt, ist auch dies ohne Pflanzenpass möglich. Fliesst jedoch Geld, oder kann das Saatgut öffentlich bestellt werden, müssen Sie einen Pflanzenpass haben, was als Privatperson theoretisch möglich, aber relativ kompliziert ist. Ebenso braucht es einen Pflanzenpass, wenn Tomaten- oder Paprikasamen an gewerbliche Abnehmer*innen gehen, welche daraus Pflanzen für den Verkauf ziehen. Saatgut- oder Pflanzentauschbörsen sind weiterhin möglich, da die Tauschenden dort im direkten Kontakt miteinander sind.
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Ausnahme Sortenerhaltung
Für Pro Specie Rara (PSR) sind die verschärften Bestimmungen, welche seit dem Auftauchen des Jordanvirus gelten, eine Herausforderung, da ihre Sortenerhaltung auf dem Austausch von Saatgut im privaten Erhalternetzwerk beruht. «Glücklicherweise zeigt sich das Bundesamt für Landwirtschaft in unserem Fall relativ kulant und bewilligte Ausnahmen, weil es um die Erhaltung genetischer Ressourcen geht», so Philipp Holzherr, Leiter des Garten- und Ackerpflanzenbereichs bei PSR. (Eine solche Ausnahmebewilligung hat auch Bioterra erhalten für den jährlichen Tomatensamenverkauf im Januar.) «Zwar kann man auf unserer Website Saatgut bei Privaten bestellen. Da diese Möglichkeit aber unseren Gönner*innen und Sortenbetreuer*innen vorbehalten ist, also einem zwar relativ grossen, aber eingeschränkten Kreis, gilt das als privater Tausch.» Saatgut, das von der Organisation an produzierende Betriebe geht, braucht jedoch einen Pflanzenpass.
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Gesammelte Viren
Die wenigsten Viren richten so grossen Schaden an wie das Jordanvirus. Aber sie können sich in Pflanzen regelrecht ansammeln, sodass diese mit der Zeit nicht mehr gut gedeihen. Übertragen werden sie beispielsweise durch Blattläuse. Entsprechend sind Viren in Bohnen – einem beliebten Blattlausfutter – häufig. Sind nur einzelne Pflanzen betroffen (Symptome siehe «Was ist was – Erreger erkennen, weiter unten) sollten diese möglichst rasch eliminiert werden, damit sie nicht zum Herd für weitere Übertragungen werden. Die Verbreitung geschieht, wie beim Jordanvirus, übers Saatgut. Ist der Befall zu gross, lohnt es sich, neues Bohnensaatgut zu kaufen, da es kein Mittel gegen diese Viren gibt. Ganz ähnlich verläuft es bei Kartoffeln. Auch von ihnen wird gerne von der letztjährigen Ernte eigenes Pflanzgut nachgenommen, indem einige Knollen im Keller gelagert werden – oder gleich im Boden bleiben. Es ist wahrscheinlich, dass diese über die Jahre immer schlechter gedeihen. Schuld sind auch hier Viren. Eine vorbeugende Massnahme, die PSR empfiehlt, ist das Sonnenbad, das wie folgt funktioniert: Die zur Nachzucht bestimmten Kartoffeln werden vor dem Einlagern während ein bis zwei Tagen der Sonne ausgesetzt. Dabei beginnen die Knollen zu grünen, und ihre Pflanzenzellen werden angeregt, wodurch sie in der Winterruhe bereit sein sollen, ihre Abwehrkräfte zu mobilisieren. So sollen sie sich besser gegen die Verbreitung von Viren in der Knolle wehren können. Aber auch hier gilt: Ist der Virendruck zu gross, müssen neue Pflanzkartoffeln gekauft werden.
Ein weiterer Tipp, den PSR den Vermehrer*innen empfiehlt: Das Saatgut möglichst sauber reinigen. Je weniger Pflanzenmaterial eingelagert wird, desto kleiner ist die Gefahr, Krankheiten zu übertragen. Deshalb empfiehlt die Stiftung, das Tomatensaatgut mittels Vergärung zu reinigen und nicht bloss die Samen inklusive Glibber auf einem Haushaltspapier auszustreichen (siehe folgende Box).
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Tomatensamen ernten
Auslöffeln: Aus einer reifen Frucht die Samen mit einem Löffel herauslösen. In ein Glas mit gerade so viel Wasser geben, dass es in fünf Tagen nicht austrocknet.
Gären: Das Glas mit Haushaltspapier verschliessen, um keine Fruchtfliegen zu züchten. Bei Zimmertemperatur zwischen zwei und fünf Tage stehen lassen, bis die Masse vergoren riecht. Sollte sich Schimmel gebildet haben, ist dies nicht weiter tragisch. Zu lange dürfen die Samen nicht im Wasser liegen, da sie sonst zu keimen beginnen.
Gewinnen: Die Masse in ein Sieb giessen und kräftig reiben. Wieder zurück ins Glas geben, mit Wasser auffüllen und alles, was obenauf schwimmt, ableeren. Einige Male wiederholen, bis nur noch sauberes Saatgut übrig bleibt. Dieses in einem Teefilter oder auf einem Unterteller zwei Wochen trocknen lassen und dann versorgen.
Lagern: Falls Sie mehrere Sorten vermehren, sicherstellen, dass das Saatgut in jedem Schritt mit dem Sortennamen beschriftet ist.
(Bild von Pro Specie Rara)
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Pflanzen stärken
Gesunde, robuste Pflanzen sind weniger anfällig. Mit pflanzenstärkenden Massnahmen wie Schachtelhalm- oder Brennnesseltee bzw. -jauche, die vorbeugend eingesetzt werden, gesundem Boden und guter Standortwahl können Sie Ihre Pflanzen unterstützen. Zudem ist die Sortenwahl entscheidend: Es gibt robuste oder zumindest tolerantere Sorten. Da vor allem Viren über Blattläuse übertragen werden, hilft es, diese in Schach zu halten. Und geben Sie den Pflanzen genügend Platz. Je weniger sie sich berühren, desto kleiner die Übertragungschance, und desto besser können Sie einzelne befallene Pflanzen entfernen.
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Was ist was - Erreger erkennen
Gängigste Krankheiten: Es ist nicht einfach, einen Viren-, Pilz- oder Bakterienbefall eindeutig zu bestimmen. Auch Mangelernährung oder Schädlinge können ähnliche Schadbilder verursachen. Einen abschliessenden Befund kann nur die Labordiagnose geben. Dennoch gilt es, die Indizien zu erkennen, befallene Pflanzen zu eliminieren und vor allem, davon kein Saatgut zu ernten. Alle unten beschriebenen Krankheiten können auch über Saatgut übertragen werden. Die Auflistung ist nicht abschliessend, wir konzentrieren uns auf die häufigsten Erreger.
Ausführliche Infos zu verschiedenen Pflanzenkrankheiten finden Sie auf pflanzenkrankheiten.ch.
(Bilder von Jerzy Opiola, Sarah Pethybridge, Linnea Stridh, Josef Schlaghecken, EPPO Global Database)
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Mosaikviren
Es gibt verschiedene Mosaikviren, die nicht zwingend miteinander verwandt sind, aber auf ganz unterschiedlichen Pflanzen ähnliche Symptome verursachen: Mosaikartige, gelbliche Flecken auf den Blättern; Entlang der Blattadern kann es zu Nekrosen, also absterbendem Gewebe kommen; Gekräuselte Blätter; Pflanze wird im Wachstum gehemmt.
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Fettfleckenkrankheit auf Bohnen
Diese durch Bakterien übertragene Krankheit befällt Blätter, Stängel und Hülsen von Busch- und Stangenbohnen: Eckige, braune Flecken, die von einem blassgrünen bis gelben Hof umgeben sind.
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Alternaria
Von diesem Schimmelpilz gibt es unterschiedliche Arten, die auf unterschiedlichen Pflanzengruppen Schaden anrichten. Unter anderem sind sie im Kartoffel- (Alternaria solani) und im Kohlanbau (Alternaria brassicae) gefürchtet: Kleine, runde Flecken, die wachsen und grau bis braun werden; Die Flecken können zusammenwachsen und grössere Teile des Blattes umfassen; Das Zentrum der Flecken ist sehr brüchig; Später entwickeln sich auch Flecken an Haupt- und Seitenstängeln.
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Falscher Mehltau
Diese Pilzerkrankung kann unter feuchtwarmen Bedingungen viele Kulturpflanzen schädigen: Befallene Jungpflanzen wachsen nur zögerlich oder sterben gar ab; Meist bilden sich zu Beginn blassgelbe Flecken, die sich später braun verfarben. Da sie durch Blattadern begrenzt sind, wirken sie oft eckig; Anschliessend breitet sich auf der Blattunterseite ein bräunlichweisser Pilzrasen aus, der das Blatt vom Rand her absterben lässt; Neben Blättern und Stängeln können Blütenknospen und Früchte erkranken. Diese schrumpeln und sterben ab.
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Kraut- und Braunfäule, bzw. Kraut- und Knollenfäule
Die Sporen des Erregers Phytophthora infestans überdauern im Boden und befallen die Pflanzen, vor allem Tomaten und Kartoffeln, bei hoher Luftfeuchtigkeit. Die Krankheit kann aber auch über Saatgut weitergegeben werden. Erste Symptome: unregelmässig geformte, blassgrüne, wässrige Flecken, die sich schnell zu grossen, braunen bis grauen Flecken entwickeln. Die Flecken werden nicht von Blattadern begrenzt; Flecken auf Stängeln und Blattstielen sind scharf vom gesunden Gewebe abgegrenzt; Die Krankheit kann alle Pflanzenteile befallen.
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Jordanvirus auf Tomaten
Das Virus ist in der Schweiz (noch) selten und befällt primär Tomaten, wurde aber im Ausland auch schon auf Paprikapflanzen nachgewiesen: Die Blatter wölben sich, sind teilweise schmaler oder kleiner und wachsen weniger stark. Es zeigen sich leichte bis stark mosaikartige Verfärbungen; Die gesamte Pflanze fängt an zu welken, bis sie abstirbt; Die Kelchblatter zeigen abgestorbenes Gewebe; Die Fruchte weisen rundliche, gelbe Flecken sowie eine fehlende Ausfärbung aus; Rotfruchtige Sorten bleiben orange.
Das Jordanvirus gilt als potenzieller Quarantäneorganismus. Sollten Sie den Verdacht haben, dass Ihre Tomaten- oder Paprikapflanzen von ihm befallen sind, sind Sie verpflichtet, dies beim Pflanzenschutzdienst Ihres Kantons zu melden.
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Virensanierte Kartoffeln
So werden professionell produzierte Kartoffeln virenfrei gehalten:
Zucht
Moderne Kartoffelsorten werden im geschützten Anbau, wo sie weder mit natürlichem Boden noch mit Insekten in Kontakt kommen, gezüchtet. Entsprechend kann ein Virenbefall ausgeschlossen werden.
Vermehrung
Im geschützten Anbau findet auch die Vermehrung statt. Alte Sorten, die irgendwo gefunden werden und in die Obhut von Pro Specie Rara gelangen, oder Sorten von kleinen Züchtern, die im Feld gediehen, tragen meist Viren in sich. Diese können im Labor saniert werden.
Säuberung
Um die Sorten zu sanieren, müssen Meristeme erwischt werden, in denen das Virus noch nicht vorhanden ist. Meristeme sind Teile am äussersten Ende der Sprossspitzen oder an Wurzelspitzen. Diese können sich, ähnlich wie Stammzellen im Tierreich, zu unterschiedlichen Pflanzenorganen, also Sprossen, Wurzeln oder Blättern ausbilden. Daraus werden Klone der Sorten gezogen und in die geschützte Vermehrung gegeben.
(Bild von Agroscope)
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