Mit ihren weisswolkigen Blütenständen, den feinfiederigen, duftenden Blättern und dem adretten Wuchs verdient die Gewöhnliche Wiesen-Schafgarbe das Prädikat Tausendschön – und auch, zur Wildstaude des Jahres 2025 erkoren zu werden.
Von Adrian Möhl
Bild: Gewöhnliche Wiesen-Schafgarbe von Blickwinkel
Man könnte diese Pflanze als «Halbvertraute » bezeichnen. Man kennt sie, und man kennt sie nicht. Schafgarben gehören zu den Pflanzen, welche viele zu kennen glauben. Doch ist die hübsche Weisse auf der Wiese denn wirklich eine Schafgarbe? Völlig Unbedarfte verwechseln die Schafgarbe gelegentlich mit einem Baldrian, einer Wilden Möhre oder manch einer anderen Art. Pflanzenkenner* innen indes wissen, was entscheidend ist: dass die fein fiederschnittigen Blätter bei der Schafgarbe wechselständig und die Blütenköpfchen in einer endständigen Doldenrispe angeordnet sind. Wer die Pflanze genauer anschaut, merkt zudem, dass die Blüten typische Korbblütler-Merkmale aufweisen: Es gibt eine Reihe von Hüllblättern, in denen schön eingepackt Zungen- und Röhrenblüten sitzen.
Inspiziert man die Blütenstände mit der Lupe, stellt man fest, dass jedes «Blümchen» in Tat und Wahrheit aus vier bis sechs Zungen- und mindestens so vielen Röhrenblüten besteht, aus welchen zur Blütezeit ein goldiger Griffel ragt. Werden die Blütenstände bestäubt, entwickeln sich darin eiförmige Früchte, die, im Unterschied zu den meisten Korbblütlerfrüchten, keine «Schirmchen» oder, wie der Botaniker sie nennt, Pappushaare entwickeln. Eigentlich ist es also nicht schwierig, unsere Pflanze des Jahres 2025 zu erkennen. Doch spitzfindige Botaniker*innen werden darauf hinweisen, dass sich unter dem Begriff «Wiesen-Schafgarbe» ganze sieben sehr ähnlich ausschauende Arten verstecken, die nur sehr schwierig zu unterscheiden sind. Spitzfindigkeiten sollen uns nicht weiter stören, und so belassen wir es dabei, dass es nicht ganz einfach ist und dass die Pflanze des Jahres schlicht Gewöhnliche Wiesen-Schafgarbe Achillea millefolium L. heisst.
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Eine Allesmögerin
In der Schweiz muss meist nicht lange nach ihr gesucht werden. Sie ist auf Wiesen und Weiden, an Wegrändern, zwischen den Häusern und manchmal sogar auf Schuttplätzen zu finden. Und dies vom Tiefland bis in die alpine Stufe. Heisses Sonnenplätzchen, Halbschatten oder gar Vollschatten? Die Schafgarbe ist wenig wählerisch, selbst wenn sie eindeutig einen Platz an der Sonne vorzieht. «Ubiquisten» nennt man solche Arten, die sich genügsam mit unterschiedlichen ökologischen Bedingungen abfinden. Als typische Art von Fettwiesen und -weiden findet man sie auf den Glatthaferwiesen und den Kammgrasweiden des Tieflandes. Wer ihr im Garten daheim die besten Bedingungen bieten möchte, der pflanzt sie in eher nährstoffreichen Boden an sonniger Stelle – sie wird es mit besonders vielen Blütenständen verdanken.
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Heilpflanze mit vielen Namen
Sie heisst Bauchwehkraut, Hämperchnöpfli, Lämmlizunge oder Garbewurz. Prinzessin Tausendschön nennen wir sie nur hier. An deutschen Namen für die Achillea millefolium mangelt es wirklich nicht, und je nach Quelle können über 50 Volksnamen aufgelistet werden. Wer den wissenschaftlichen Namen verstehen will, wird in Homers Epen fündig. In der Beschreibung zum Trojanischen Krieg verwendet der tapfere Krieger Achilleus die Schafgarbe als Heilpflanze und wird sodann Namenspatron. Ebenso gut versteht man tausendblättrig, millefolium: Auch wenn die Zahl der vielen Zipfel der Blätter sehr weit weg von tausend sein dürfte, ergibt der Name Sinn. Ihren Ruf als Heilpflanze hat sie schon sehr lange: Seit der Antike wird die Schafgarbe als Heilmittel genutzt. Der griechische Arzt Dioskurides wie auch der römische Gelehrte Plinius schätzten sie zur Wundheilung und Blutstillung. Ihr Ruf als Heilpflanze blieb ihr auch im Mittelalter erhalten: Manchmal wurde sie gegen Zahnschmerzen empfohlen, Hildegard von Bingen fügte Dreitagefieber hinzu. Im 17. und 18. Jahrhundert galt sie als Allheilmittel, und bis ins 19. Jahrhundert wurde sie zur Kräftigung des Körpers verwendet. Und heute? Im 21. Jahrhundert ist Schafgarbenkraut als millefolii herba in verschiedenen Kräutertees zu finden. Pflanzentinkturen mit Schafgarbenextrakten werden – meist nur als unterstützende Produkte zu anderen Therapieformen – angeboten. Eine Therapie sollte man sich aber auf keinen Fall entgehen lassen: die Schafgarbeim- Garten-Therapie. Eine so hübsche Pflanze, die lange und wunderschön blüht und zudem zahlreiche Bestäuber anlockt, kann einfach nur guttun!
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Wildstaude des Jahres
Im Jahr 2022 rief der Verein Bioterra aus Anlass seines 75-jährigen Bestehens die Wildstaude des Jahres ins Leben, um auf diese für die heimische Tierwelt unersetzbaren Nahrungsquellen aufmerksam zu machen. Gleichzeitig bricht Bioterra damit eine Lanze für das Ansiedeln mehrjähriger einheimischer Wildpflanzen im eigenen Garten. Die langlebigen, für die Biodiversität unerlässlichen Blütenpflanzen sind pflegeleicht und unkompliziert. Sie halten Wetterextremen wie wochenlanger Trockenheit oder Regen stand und sind somit eine Bereicherung für jeden Bio- und Naturgarten.
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